Die einfache Frage "Zu wann brauchen Sie denn ...?" teilt die Kundschaft in zwei Arten von Kunden: den Muss- und den Kann-Kunden.
Eine der Charakteristika der individueller Einrichtung ist es nun einmal, dass ohne sie eine Wohnung oder ein Haus nicht nutzbar ist. Zieht nun der Kunde neu in eine Immobilie ein, so handelt es sich bei ihm um einen Muss-Kunden. Und dann stellt sich nicht die Frage, ob dieser Kunde kauft, sondern nur, bei wem er dies tut. Daneben prägt dieser Umstand ganz erheblich das Einkaufsverhalten. Durch den baldigen Einzugstermin oder die Notwendigkeit, den Handwerkern einen Installationsplan zur Verfügung zu stellen, gerät der Kunde erheblich unter Zeitdruck. Für die Entscheidungsfindung steht dann häufig nur ein Wochenende zur Verfügung. Und selbst wenn die Ware nicht sehr komplex ist, wird´s jetzt eng mit dem Vergleichen.
Daneben steht der Verkäufer beim Muss-Kunden vor der Herausforderung, die Ausgabefähigkeit bei der Planung zu berücksichtigen. Schließlich ist der Muss-Kunde meist nicht in der Lage, in den nächsten Wochen seinen Girokontostand oder seinen Kreditrahmen anwachsen zu lassen. Und oft kommen diese Kunden ohnehin mit mehr Wünschen als Geld in den Handel. (Aber woher soll ein Kunde auch wissen, dass 6 Meter Küche, Lackfront und Muldenlüftung für 4.000 € nicht zu haben ist?) Insofern erzeugt eine Planung ohne vorherige Budgetermittlung nur enttäuschte Kunden und frustrierte Verkäufer. Und das macht natürlich keinen Sinn. Deshalb ist auch das Verhalten bei der Budgetfrage - meines Erachtens ist hier Körpersprache wichtiger als Formulierung - und die Interpretation der Antwort ein wesentlicher Bestandteil bei der Ausbildung eines Verkäufers.
Deutlich anders sieht die Welt aus bei Kunden mit Ersatzbedarf. Auf die Frage "Wann brauchen Sie ...?" antworten diese Kunden gern mit "Eigentlich ist unser ... noch ganz gut, aber ..." Bei diesen Kann-Kunden steht die Ware und nicht das Budget im Vordergrund; und die neue Ware muss in irgendeiner Form besser sein als die alte Küche, um die Kosten und Aufwände für die Renovierung des Raumes und die Aufwände des Einkaufsprozesses zu rechtfertigen. Bei den Kann-Kunden finden wir häufig die Situation, dass ein Partner allein los geht und die "Vorinformation" erledigt. Und erst danach folgt die Entscheidungsfindung in dem Geschäft, das als Bestes erachtet wurde.
Spannend sind auch weitere Zitate unserer Kann-Kunden. Auf die Frage nach dem Budget kommt gern: "Unsere letzte Küche hat ... DM gekostet." Und besonders gern sprechen sie auch von der "letzten Küche". Nun sind Menschen jenseits der 45 (und dieses Alter haben die meisten Kunden mit Ersatzbedarf) nicht per se depressiv. Aber sie wissen halt nicht, was die Ware "heutzutage" kostet; möchten aber, dass diese dann auch wirklich gut ist. Und dafür sind sie bereit - und oft auch in der Lage - entsprechend Geld auszugeben. Entscheidend bei ihnen ist halt die Ausgabebereitschaft: je überzeugender der Verkäufer schöne Lösungen darstellen kann, um so mehr wachsen Preis und Abschlussfreude. Und wenn das gesparte Geld nicht reicht, wird - zur Überraschung manches Verkäufers - auch eine 0%-Teilfinanzierung durchgeführt.
Die Bedarfsermittlung wird dann ergänzt durch weitere Fragen nach Raum / Personen im Haushalt / Immobilie / Warenvorstellungen und Budget. Die Ergebnisse führen dann zu sehr differenzierten Lösungen für die Kundschaft: während für die einen Kunden die unmittelbare Planung eventuell mit vorherigem Klartext sinnvoll ist, empfiehlt sich bei anderen ein (bezahltes) Vorabaufmaß und bei den nächsten macht ein Planungstermin Sinn. Im Seminar nenne ich dieses Kapitel "Einrichtungsverkauf als Denksport". Und nach der Bedarfsermittlung die richtige Strategie zu wählen, ist nun einmal die entscheidende Voraussetzung für den Erfolg im Abschluss.
Mehr zu diesem Thema im Seminar: Treffsicher anbieten